Volkshochschule

Erste Kontakte und langjährige Freundschaften

Freuen sich gemeinsam, den 100. Integrationskurs an der vhs feiern zu können: vhs-Leiter Martin Dilger (von links), Patrizia Petrou, Leiterin im Fachbereich Deutsch als Fremdsprache, und die Integrationskurs-Dozentinnen Anne Wüstner und Lavinia Bögel.

Im Februar startete an der Crailsheimer Volkshochschule der 100. Integrationskurs. Seit 2009 lernen hier vor allem Flüchtlinge, Asylbewerber und Zugewanderte die deutsche Sprache – und setzen damit einen wichtigen Grundstein für ihr berufliches und privates Leben in Crailsheim.

Einen Sprachkurs als Wunder zu bezeichnen, scheint zunächst einmal etwas weit hergeholt. Doch bei genauerer Betrachtung ist es tatsächlich nicht weit davon entfernt: Wenn 25 Menschen mit insgesamt 17 verschiedenen Nationalitäten in einem einzigen Kurs zusammenfinden, ohne ein Wort Deutsch zu sprechen oder zu verstehen, und sich am Ende der sieben Module mit einem freudigen „Auf Wiedersehen“ verabschieden oder sich in den Pausen auf Deutsch unterhalten können, ja dann haben die Dozentinnen und Dozenten vielleicht keine Wunder vollbracht, aber doch etwas ganz Wunderbares geschafft. Sie haben dazu beigetragen, dass all diese Menschen in Deutschland Fuß fassen und sich hier ein neues Leben aufbauen können.

Kurse seit 2009
Genau das passiert in Crailsheim seit 2009 immer wieder. Denn so lange gibt es sie schon, die sogenannten Integrationskurse, und im Februar dieses Jahres startete bereits der 100. Kurs. „Die Sprache ist der Schlüssel. Ich komme selbst aus Rumänien und weiß noch genau, wie schwer es ist, in einem anderen Land beruflich Fuß zu fassen“, sagt Lavinia Bögel, die seit 2010 als Dozentin der vhs-Integrationskurse tätig ist. Als Dozentin möchte sie anderen Menschen helfen, in beruflichen und alltäglichen Situationen besser zurecht zu kommen und sich verständigen zu können. „Viele haben ja eine Ausbildung oder einen akademischen Hintergrund. Es ist nicht einfach, in einem anderen Land in dem bisherigen Berufsfeld wieder tätig zu werden, aber es ist möglich. Man muss nur die Sprachbarriere überwinden“, sagt Bögel.

Bedarf wächst stetig
Eine überaus verantwortungsvolle Aufgabe also, die die Dozenten der Integrationskurse haben. „Es geht um die Leben der Menschen. Darum, dass sie an der Gesellschaft teilhaben können“, sagt Patrizia Petrou, Leiterin im Fachbereich Deutsch als Fremdsprache an der vhs. Die Integrationskurse, welche 2005 im Rahmen des Zuwanderungsgesetzes ins Leben gerufen wurden, erfahren auch in Crailsheim seit ihrer Einführung 2009 einen stetig wachsenden Zulauf. „Crailsheim ist eine Zuwandererstadt. Wir haben nicht nur Flüchtlinge und Asylsuchende, sondern auch viele Arbeiterinnen und Arbeiter aus Osteuropa hier“, so Petrou. Martin Dilger, Leiter der vhs, ergänzt: „Die meisten Teilnehmer kommen aus Rumänien, der Ukraine, Syrien und Polen. Zudem gibt es etliche aus Ungarn, der Türkei, dem Kosovo, Afghanistan, dem Irak oder einigen afrikanischen Ländern.“ Ein Großteil derer, die die deutsche Sprache lernen wollen, sind zwischen 20 und 35 Jahre alt, wobei der Altersschnitt laut Dozentin Anne Wüstner durch die Zuwanderer aus der Ukraine in jüngster Zeit etwas angestiegen sei. Waren es 2011 im Durchschnitt noch 1,8 Integrationskurse, die parallel angeboten wurden, wuchs diese Zahl mit der Flüchtlingskrise im Jahr 2016 auf 8,3 und in 2022 auf 11 – „dabei sind allein voriges Jahr 16 Integrationskurse neu gestartet“, sagt Petrou.

Keine „Nebenher-Dozenten“
Zahlen, die zeigen, dass der Bedarf mehr als gegeben ist. Auch deshalb ist Dilger froh über den gewachsenen Stamm an Kursleitern – zwölf Dozentinnen und Dozenten sind derzeit in den vhs-Integrationskursen tätig, wobei die meisten schon viele Jahre mit dabei sind. „Ich war eine der ersten. Ich weiß noch, wie wir anfangs um jeden Teilnehmer gekämpft haben, doch die Situation hat sich nun komplett gedreht“, erzählt Wüstner. So sehr, dass es nun sogar Wartelisten gibt. „Wir hätten definitiv noch mehr Kurse starten können, doch es mangelt an Räumen und Lehrkräften“, sagt Petrou. Laut den Qualitätsstandards des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, mit dem die vhs bei den Integrationskursen kooperiert und welches die Kurse auch finanziell fördert, benötigen Kursleiter entsprechende sprachliche und pädagogische Erfahrungen. „Deutschlehrer und Sprachlehrer haben es relativ einfach, und das Bundesamt oder auch der vhs-Verband bieten entsprechende Zusatzqualifikationen an. Aber man muss auch sehen, dass beispielsweise die Schulen uns schon Konkurrenz machen, was die Lehrkräfte angeht“, sagt Petrou. Außerdem sei die Tätigkeit nicht mal eben so zu stemmen, immerhin finde der Unterricht oft täglich von 8.00 bis 12.00 Uhr statt – und das funktioniere als Nebentätigkeit für die meisten Dozentinnen und Dozenten nicht, meint Dilger.

700 Unterrichtsstunden
Aufgebaut sind die Integrationskurse in sieben verschiedene Module: 600 Unterrichtsstunden dienen vorrangig dem Erwerb der deutschen Sprache, in weiteren 100 Stunden werden Kultur, Geschichte und Politik in Deutschland vermittelt. Unterrichtet wird, wo Platz ist: Im Gebäude der vhs, im TSV-Vereinsheim, im ehemaligen Kindergarten Altenmünster, im Gebäude des Hohenloher Tagblatts, in der Realschule am Karlsberg, in der Feuerwache, der Jahnhalle, dem Albert-Schweitzer-Gymnasium oder dem Otto-Möbus-Haus. Ziel ist es, die sprachliche Grundlage für das Leben und Arbeiten in Deutschland zu schaffen, damit die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihre Chancen zu Eingliederung in den Arbeitsmarkt und zur Integration verbessern. Was in der Theorie gut klingt, läuft in der Praxis meist noch besser: „Wir merken, dass der Deutschkurs für die allermeisten Teilnehmer ein wichtiger Ort ist und sie wirklich gerne kommen. Oft sind sie noch gar nicht lange in Deutschland und dann werden hier erste Kontakte geknüpft, die nicht selten in jahrelange Freundschaften münden“, erzählt Wüstner. So entwickelt sich dann auch eine Eigendynamik; die Teilnehmerinnen und Teilnehmer treffen sich in ihrer Freizeit, gehen zusammen ins Café, lernen auf Tests und Prüfungen. Denn am Ende jedes Integrationskurses stehen ein Test zum Orientierungskurs Leben in Deutschland, kurz „LiD“, sowie der Deutschtest für Zuwanderer „DTZ“ auf Niveaustufe B1. Und, wenn alles klappt: Das perfekt ausgesprochene „Auf Wiedersehen“.
 
Info: Seit 2009 ist die vhs Crailsheim zugelassener Kursträger für die Durchführung von Integrationskursen. Seither wurden in diesem Rahmen rund 68.000 Unterrichtsstunden gehalten, es gab über 2.000 Kursteilnehmende aus mehr als 100 Ländern und es wurden zahlreiche Sprach- und Orientierungsprüfungen abgelegt. Um den 100. Integrationskurs in Crailsheim gebührend zu feiern, findet am Freitag, 26. Mai, ab 17.00 Uhr ein Fest in der vhs statt. Hier wird es Impressionen aus den Kursen geben, Sozial- & Baubürgermeister Jörg Steuler wird ein Grußwort halten und es gibt bei Buffet und Musik viel Gelegenheit, um ins Gespräch zu kommen.
 

(Erstellt am 17. März 2023)