Burgbergstraße

Zwischen Jobcenter und Gemeinschaftsbad

In den städtischen Gebäuden der Burgbergstraße sind derzeit 81 Obdachlose untergebracht.

Die Siedlung um die Burgbergstraße in Crailsheim ist in ständigem Wandel und das seit ihrer Entstehung. Im Stadtblatt berichten wir bis zur Sommerpause über die „Burgbergsiedlung“ im Fliegerhorst, ihre Menschen, ihre Geschichte, die Gegenwart und Zukunft, sowohl gesellschaftlich als auch baulich. Zu den Bewohnern gehören auch die 81 Obdachlosen, die dort derzeit in sechs städtischen Gebäuden untergebracht sind. Tendenz: steigend.

418 Personen. Untergebracht in Gebäuden, Wohnungen und Räumen, entweder angemietet oder im Eigentum der Stadt. Es sind Geflüchtete in der Anschlussunterbringung, es sind Obdachlose. Menschen, die ohne Hilfe kein Dach über dem Kopf hätten. Die selbst nicht dazu in der Lage sind, eine eigene Bleibe zu finden – oder zu erhalten.
Sie zu unterstützen: Auch das ist Aufgabe der Stadt. Die entsprechenden Unterkünfte verteilen sich über das gesamte Crailsheimer Stadtgebiet und konzentrieren sich letztendlich doch auf einen Standort: Die Burgbergstraße. Hier wohnen die Flüchtlinge, die Obdachlosen. Die, die auf dem Wohnungsmarkt wenig Chancen haben. „In den Gebäuden der Burgbergstraße sind aktuell insgesamt 150 Personen untergebracht, davon 69 Geflüchtete und 81 Obdachlose“, sagt Luisa Löchner aus dem Ressort Sicherheit & Bürgerservice.

Miteinander und gegeneinander
Nummer 36, 57, 59, 63, 65 und 67. Der Torbogen im Osten bildet den Eingang zu einem ganz eigenen Gebiet. Es ist ein eigenes Viertel, in dem die Menschen in der Burgbergstraße leben: abgegrenzt, etwas außerhalb – und doch in einem großen, bunten Miteinander. „Der Ruf der Burgbergstraße ist nicht so toll, aber im Großen und Ganzen kommen die Menschen dort gut miteinander aus“, sagt Raimund Horbas, Ressortleiter Sicherheit & Bürgerservice. Wenn es zu Problemen und Streits kommt, ist meistens auch Alkohol mit im Spiel. Polizeieinsätze wegen körperlicher Gewalt sind nicht selten, dazu kommen Beschwerden über Lautstärke, aber auch andere Probleme wie Schädlinge oder Streitigkeiten untereinander, die ab und an sogar bis hin zur Umverlegung führen. „Wir sind dort mindestens einmal wöchentlich, oft mehrmals in der Woche vor Ort präsent“, sagt Löchner.
Man müsse sich jedoch bei all den Problemen, Streitigkeiten und regelmäßigen Polizeieinsätzen immer vor Augen halten, dass dort einfach viele Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund miteinander klarkommen müssten. „Zum Vergleich: 2014 hatten wir rund 150 Personen hier in Crailsheim, jetzt sind es über 400. Das macht natürlich einen Unterschied“, so Löchner.

Gegensätzliche Kulturen
Auch die Belegung der Gebäude ist eine Herausforderung. Wer zieht wo hin? Wo fühlt sich die Familie mit den vier kleinen Kindern am wohlsten? Und wo der junge, alleinstehende Mann? Einfach blind nach Zahlen vorgehen und eine Unterkunft nach der anderen füllen, das funktioniere so nicht, erläutert Löchner. „Wir halten immer auch Rücksprache mit dem Integrationsmanagement, da ja sowohl Obdachlose, als auch Geflüchtete hier untergebracht werden. Und wenn Probleme entstehen, dann meist erst hinterher, in den Wohnungen: Manche kennen sich vielleicht schon, verstehen sich nicht gut, oft prallen auf engstem Raum Kulturen und Ansichten aufeinander.“ Auf engstem Raum, das bedeutet zwischen acht und zehn Quadratmeter. So viel nämlich steht einem alleinstehenden Erwachsenen mindestens an Wohnraum zu. Viele der städtischen Gebäude sind als Wohnungen angelegt, einige als Gemeinschaftsunterkünfte mit gemeinsamem Bad und einer Küche, die miteinander geteilt werden. Es gibt Putz- und Zuständigkeitspläne, doch einhalten müssen sie die Bewohner selbst. „Wir wollen natürlich auch, dass die Bewohner in die Selbstständigkeit zurückfinden. Sie sollen früher oder später wieder eine eigene Wohnung beziehen und nicht dauerhaft in der Obdachlosenunterkunft leben“, erklärt Löchner. Schwieriger gesagt, als getan: Zwar werden die Betroffenen mindestens einmal im Jahr darauf hingewiesen, dass sie verpflichtet sind, sich nach eigenem Wohnraum umzuschauen, und das Jobcenter zahlt zudem im Regelfall die Miete, sobald sie eine eigene Wohnung finden, und doch leben viele obdachlose Bewohnerinnen und Bewohner der Burgbergstraße schon seit Jahren dort.

Räumung, Arbeitslosigkeit, Einsamkeit
Doch wer kommt überhaupt in die Burgbergstraße? Und wie? „Meistens informiert uns der Gerichtsvollzieher, wenn eine Wohnung geräumt wird. Wir treten dann vor der Räumung mit der betroffenen Person in Kontakt und fragen, ob Sie unsere Unterstützung hinsichtlich Wohnraums benötigt“, erzählt Löchner. Oft kämen die sogenannten unfreiwillig Obdachlosen – Menschen, die ungewollt ihren Wohnsitz verlieren – aber auch zur Stadtverwaltung, um um Hilfe zu bitten. „Das sind etwa zwei Drittel aller Fälle. Der Rest sind diejenigen, bei denen es schwierige Familienkonstellationen gibt. Zum Beispiel steht nicht der inzwischen volljährige Sohn im Mietvertrag, oder es sind Erwachsene, die bislang bei der Familie oder Freunden untergekommen sind und nun zu uns kommen.“ Nicht selten kommen die Betroffenen einfach ins Rathaus, erzählen ihre Geschichte, bitten um Hilfe. Und nicht selten sind es Schicksalsschläge, besonders schwierige Umstände, die betroffen machen: Arbeitslosigkeit, teilweise in Verbindung mit Alkohol und Drogen. Menschen, die weder Freunde noch Familie haben. Und immer öfter auch Jüngere, die nie im Job angekommen sind. Die schon früh mit Drogen und Straftaten in Kontakt gekommen sind.

Ständiger Kampf um Gebühren
Mit den meisten von ihnen hat die Obdachlosenbehörde früher oder später Kontakt. Sie kümmert sich um die Personenunterbringung, steht in ständigem Austausch und Schriftverkehr mit dem städtischen Integrationsmanagement, führt Umverlegungen durch, hört sich die Anliegen der Betroffenen an und kümmert sich im Rahmen des Polizeirechts um die Probleme, die die Bewohnerinnen und Bewohner in der Burgbergstraße verursachen. „Ein großes Thema sind auch die Gebühren. Die Obdachlosen wohnen nicht kostenlos hier, sondern es fallen je nach Wohnung unterschiedlich hohe Gebühren und eine Betriebskostenpauschale an“, erläutert sie. Auf den entsprechenden Bescheid seitens der Stadtverwaltung hin können die Bewohnerinnen und Bewohner dann Hilfe beim Jobcenter beantragen, und ein Teil dieser Leistungen fließt dann wiederum in Form der Gebühren an die Stadt. So die Theorie. In der Realität sieht das Ganze etwas anders aus: „Natürlich gibt es die Fälle, in denen das alles reibungslos funktioniert. Das Problem dabei ist, dass die Gebühren für die Unterkunft grundsätzlich nicht automatisch an die Stadt abfließen. Die Personen bekommen also die Sozialleistungen auf ihr eigenes Konto, geben vielleicht einen Großteil davon sofort aus und überweisen somit nichts – so wachsen dann die Mietrückstände.“ Es ist ein ständiger Kampf: „Wir mahnen natürlich, reden mit den betroffenen Personen. Aber letztendlich: Das Wohnen in einer Unterkunft darf auch bei zahlungsunwilligen Obdachlosen nicht von der Zahlung der Benutzungsgebühren abhängig gemacht werden.“

(Erstellt am 13. Juli 2023)