Innenstadtentwicklung

Stadt soll und muss sich öffnen

Organisatoren sprechen vor Publikum
Oberbürgermeister Dr. Christoph Grimmer (rechts) und Tillmann Wagner vom Verein Stadtmarketing stellten die gemeinsam erarbeiteten Ideen vor.

Die Stadtverwaltung und der Verein Stadtmarketing haben gemeinsam ihre ersten Überlegungen für die künftige Innenstadtentwicklung vorgestellt. Rund 100 Interessierte aus Politik, Wirtschaft und Bürgerschaft lauschten gespannt, wie sich das Bild in der Kernstadt wandeln soll.

Crailsheim hat gelernt, sich zu verstecken. Ob grüne Parks, offene Straßenzüge oder die Jagst. Vieles von dem, was eine Stadt attraktiv macht, besitzt zwar auch die Horaffenstadt – aber sie nutzt dieses Potential nicht. Dies soll sich nun jedoch ändern.

Gemeinsam haben die Stadtverwaltung und der Verein Stadtmarketing in den vergangenen Monaten Gedanken gesammelt und Ideen entwickelt, wie die Innenstadt besser gestaltet und wieder mit mehr Leben gefüllt werden kann. Die Ergebnisse dieses Brainstormings wurden nun im Hangar der Öffentlichkeit vorgestellt. Denn entscheidend für den Erfolg egal welcher Projekte, die in der Zukunft angegangen werden sollen, ist, dass auch die Bürgerschaft sich an dem Entwicklungsprozess beteiligt. „Dass die Bürgerinnen und Bürger hier unmittelbaren Einfluss nehmen können, ist beispielhaft“, lobte Tilmann Wagner, 2. Vorsitzender des Vereins Stadtmarketing, das Vorgehen der Verwaltung. Für Oberbürgermeister Dr. Christoph Grimmer war es wichtig, nicht noch länger zu warten. „Die Entwicklung der Innenstadt ist ein wichtiges Projekt. Wir haben die Wahl, den aktuellen Prozess weiter laufen zu lassen und zu schauen, was passiert. Oder wir nehmen das Ruder in die Hand. Wir wissen nicht, ob alles, was wir vorhaben, erfolgreich sein wird. Aber es ist wichtig, dass wir etwas unternehmen“, führte der Oberbürgermeister aus.

Kopfsteinpflaster in der Innenstadt
Zu kleinteilig und nicht barrierefrei. Anstelle Kopfsteinpflaster könnten große Steinplatten zu einem hochwertigeren Gesamtbild der Innenstadt beitragen.

Handlungsspielraum begrenzt
Zu Beginn betonten Grimmer und Wagner, dass die negative Entwicklung nicht nur in Crailsheim, sondern in fast allen Städten zu beobachten ist. Allerdings sei die Ausgangssituation in der Horaffenstadt auf den ersten Blick ernüchternd: denn Entwicklungsmöglichkeiten in den vorhandenen Gebäudestrukturen gibt es kaum, da die Grundrisse ungünstig und nicht barrierefrei sowie die Schaufensterflächen zu klein seien. Zudem fehlen bei vielen privaten Gebäudeeigentümern das Interesse oder auch die Möglichkeiten, notwendige Investitionen zu tätigen – und die Stadtverwaltung kann nur im öffentlichen Raum agieren. „Mit dem Durchstich unter dem Bahnhof, der Entwicklung im Alten Postweg und der Anbindung der Weststadt an die Innenstadt, ändert sich auch die räumliche Abgrenzung der Innenstadt“, betonte Dr. Grimmer.

Jagst wieder erlebbar machen
Auf zahlreichen in Crailsheim gemachten Bildern verdeutlichten die beiden Redner die gegenwärtige Situation: holprige Kopfsteinpflasterpassagen, durch Werbung verhangene Hausfassaden, verwitterte Sitzbänke und hohe Hecken an der Jagst. Es gibt viele Details, die das Gesamtbild trüben. „Wir haben es optimal verstanden, alle Blicke auf die Jagst zu verschließen, während andere Städte versuchen, sich zu öffnen“, brachte Wagner es auf den Punkt. Und Dr. Grimmer ergänzte: „Wir haben die Jagst lange geleugnet und hinter Häusern versteckt. Wir sollten jedoch die Jagst zu den Menschen und die Menschen wieder zur Jagst bringen.“

100 Zuhörer im Hangar
Aufmerksam hörten rund 100 Interessierte den Ausführungen im Hangar zu.

Insgesamt fünf Kategorien haben Verwaltung und Verein ausgemacht, in denen Maßnahmen ergriffen werden sollen: Aufenthaltsqualität, Handel & Frequenz, Willkommenskultur, Mobilität & Infrastruktur und Events. Mit Illustrationen und Beispielbildern aus anderen Städten führten Grimmer und Wagner vor, wie sich das Stadtbild wandeln könnte. „Wir werden nicht mit der Abrissbirne durch die Stadt gehen, aber durch den Gemeinderat wurden uns beispielsweise mehr Geldmittel für den Grunderwerb genehmigt, sodass wir, wenn sich Möglichkeiten bieten, hier aktiv werden könnten“, erklärte der Oberbürgermeister. Im Rahmen seiner Vorbereitungen zur Innenstadtentwicklung hatte er vier Städte in Baden-Württemberg bereist, die sich besonders vorbildlich sich mit den Themen auseinandergesetzt haben.

Erste Schritte getan
Schon heute habe man mit der Essbaren Stadt erste Schritte in die richtige Richtung getan. Bäume und grüne Alleen als Schattenspender sollen folgen. Ebenso könnte mit hochwertigen Sitzgelegenheiten, farblichen Gestaltungen, spielerischen Elementen für alle Generationen, Beleuchtungshighlights, Wasserspielen oder neue Bodenbelägen vieles erreicht werden.
Ebenso sei der Versuch, die Karl- und Wilhelmstraße zumindest testweise temporär zu sperren, ein dringend notwendiger, befand Wagner: „Wir dürfen keine panische Angst mehr vor Veränderungen haben. So kommen wir nämlich nicht mehr weiter,“ appellierte Wagner an die Anwesenden. Die Argumentation, dass dadurch Parkplätze in direkter Nähe zum Einzelhandel verloren gehen würden, kann er dabei nicht mehr hören. „Wir sind es nicht mehr gewohnt zu laufen. Es gibt mehrere Parkhäuser in der Innenstadt, über deren Distanz zur Einkaufsstraße würde man sich in Großstädten glücklich schätzen“, formulierte es der stellvertretende Vereinsvorsitzende mit klaren Worten.

Hochbeet in der Stadt
Mit der Essbaren Stadt wurden bereits ein erstes Projekt in Crailsheim umgesetzt.

ZOB und Finanzamt als Entwicklungsmöglichkeiten
Mit dem ZOB-Areal, das ab 2025/26 mit einem Investor zusammen mit dem heutigen Post-Gebäude entwickelt werden soll sowie dem Grundstück des Finanzamts, wo sich die Verwaltung in fortgeschrittenen Kaufgesprächen mit dem Land befindet, habe man die Möglichkeit, die Innenstadtentwicklung aktiv in die Hand zu nehmen, so Grimmer. Leerstehende Geschäfte könnten zudem demnächst angemietet und zu Popup-Stores umgestaltet werden, bei denen Firmen oder Handel nur zeitlich befristet einziehen. Auch eine Umsiedlung städtischer Einrichtungen wie beispielsweise die Volkshochschule als Frequenzbringer sei möglich. Fußgänger- sowie Parkleitsysteme oder eine bessere Hervorhebung historischer Orte wären ebenso eine Alternative, wie die Schaffung neuer Verbindungen über Brücken zwischen östlicher und westlicher Jagstseite. Mit einem Mehr an Veranstaltungen sollen ebenfalls zusätzliche Anziehungspunkte geschaffen werden.

Bürgerschaft aktiv beteiligen
„Wir haben noch keine fertige Agenda, sondern heute war das erst der Auftakt für einen Prozess“, führte Grimmer aus. Und ihm sei ebenso bewusst, dass die Stadt in Vorleistung treten müsste, ehe sie Forderungen stellen könne. „Es ist Ihre Stadt, es ist unsere Stadt. Lassen sie uns das Beste aus dieser machen“, wandte sich der Oberbürgermeister an die rund 100 Zuhörerinnen und Zuhörer, die mit viel Applaus antworteten.

Weiteres Vorgehen
In einem ersten Schritt sollen nun Geldmittel für den Doppelhaushalt 2023/24 für schnell umsetzbare Maßnahmen noch in diesem Herbst durch den Gemeinderat beschlossen werden. Zudem soll eine Koordinierungsgruppe eingesetzt werden, die für die Planung und Durchführung von Beteiligungsverfahren verantwortlich ist. Zentraler Bestandteil der weiteren Entwicklung ist die direkte Miteinbeziehung der Bevölkerung, weshalb auch keine externen Fachleute hinzugezogen werden, wie Grimmer sagte: „Wir werden hier kein Büro für ein großes Gesamtkonzept beauftragen. Denn die Verwaltung und der Verein Stadtmarketing sind sich einig, dass niemand besser als wir Crailsheimerinnen und Crailsheimer weiß, wie unsere Innenstadt einmal aussehen soll.“

(Erstellt am 21. Juli 2022)