Entscheidung

Verkehrsversuch wird durchgeführt – im Jahr 2024

Aktuell teilen sich Fahrradfahrer, Autos und Busse die Straße. Der Verkehrsfluss wird durch die Drückerampeln zudem unterbrochen. Die Innenstadt wirkt durch den vielen Verkehr wenig einladend.

Nach umfangreichen und intensiven Diskussionen im Bau- und Sozialausschuss und im Gemeinderat hat sich das Gremium mehrheitlich dafür entschieden, dass ein Verkehrsversuch in der Karl- und Wilhelmstraße stattfinden soll, der zur Attraktivitätssteigerung der Innenstadt beitragen soll. Einem Antrag der AWV-Fraktion folgend findet der Versuch aber erst 2024 und nicht wie ursprünglich geplant 2023 statt.

Es war eine intensive Sitzungswoche, die neben weiteren wichtigen Entscheidungen insbesondere von den umfangreichen Diskussionen und der letztlichen Entscheidung zur Durchführung eines Verkehrsversuchs in der Crailsheimer Innenstadt geprägt war. Bereits im Bau- und Sozialausschuss zeigte sich, dass die Fraktionen mehrheitlich hinter dem von der Verwaltung vorgeschlagenen Verkehrsversuch stehen. Uneinigkeit herrschte bei der Frage, wann dieser durchgeführt werden solle. Der Vorschlag der Verwaltung war, eine zeitlich auf rund vier Monate befristete Sperrung eines kleinen Teils der Karl- und Wilhelmstraße zwischen den Oster- und Sommerferien 2023 einzurichten.
Gesperrt werden soll der Bereich zwischen der Einmündung der Grabenstraße in die Wilhelmstraße und dem Karlsplatz in der Karlstraße – dies entspricht dem Planfall 3 und damit der kleinsten der angedachten Varianten. Rund eineinhalb Jahre seien seit dem ersten Aufschlag zu dem Thema in der Öffentlichkeit vergangen, betonte Sozial- & Baubürgermeister Jörg Steuler und neben mehreren Informationsveranstaltungen für die Gewerbetreibenden in der Innenstadt und einer Bürgerbeteiligungsveranstaltung im Hangar hatte sich der Gemeinderat im Sommer diesen Jahres auch in einer Klausursitzung mit dem Verkehrsversuch befasst.

Temporärer Versuch
Steuler machte zu Beginn der Ausschusssitzung deutlich, dass der Verkehrsversuch Mittel zum Zweck sei. Es gehe nicht darum, die Straße zu sperren und den Autoverkehr aus der Innenstadt zu verbannen, sondern die Aufenthaltsqualität zu steigern und die Rahmenbedingungen für den Einzelhandel und die Innenstadt zu verbessern. Steuler betonte auch, dass der zeitlich befristete Versuch durch temporäre Gestaltungselemente wie Sitzmöbel, Begrünung sowie eine intensive Bespielung der Flächen unterstützt werden solle, um ein möglichst realistisches Bild davon zu erhalten, wie eine Fußgängerzone angenommen werde. Begleiten sollen den Versuch eine breitangelegte Untersuchung der Verkehrsströme und der Fußgängerfrequenz sowie Befragungen des Handels und der Kunden.

Rahmenbedingungen des Versuchs
Martin Zahn vom Verkehrsplanungsbüro R+T stellte im Ausschuss die bisherigen Untersuchungen, darunter auch aktuelle Verkehrszählungsdaten, vor und ging insbesondere auch auf die Rahmenbedingungen des Versuchs ein. So sei während der Versuchsphase die Einrichtung eines Parkleitsystems ebenso vorgesehen wie eine zusätzliche Ampelanlage an der Einmündung der Grabenstraße in die Goethestraße. Auch eine Anpassung der Signalanlagen rund um die Innenstadt sei angedacht. Die Anzahl der Parkplätze würde sich durch den Versuch um sieben Stück im direkt gesperrten Bereich reduzieren, alle anderen Parkplätze, so Zahn und Jörg Steuler unisono, würden auch weiterhin erreichbar und nutzbar bleiben. Zahn, dessen Büro bereits viele Verkehrsversuche begleitet hat, erläuterte auch, dass im direkten Vorfeld des Versuchs sowie während des Versuchszeitraums eine umfassende Öffentlichkeitsbeteiligung wichtig sei. So könne beispielsweise mit einer eigenen Projektwebsite direktes Feedback eingeholt werden und mit einem umfassenden Rahmenprogramm in der temporären Fußgängerzone das Interesse und die Akzeptanz gesteigert werden.

Etliche Gewerbetreibende aus der Innenstadt äußerten bereits bei der Bürgerfragestunde ihre Bedenken hinsichtlich des Verkehrsversuchs.

Diskussion im Ausschuss
Harald Hügelmaier (SPD) betonte, dass sich die SPD-Fraktion eine noch stärkere Einbeziehung von Handel und Bürgern gewünscht hätte. Gleichzeitig überwiege in der Fraktion mehrheitlich die Zustimmung für den Versuch, auch wenn uneinheitlich abgestimmt werde. Die Fraktion verbinde mit dem Versuch die Hoffnung auf eine positive Gestaltung der Innenstadt. Auch Sebastian Klunker, Fraktionsvorsitzender der AWV, stellte heraus, dass seine Fraktion mehr Chancen als Risiken in dem Versuch sehe. Gleichzeitig, so die Befürchtung der AWV, komme er ein Jahr zu früh und die Verwaltung mache den zweiten vor dem ersten Schritt. Klunker stellte daraufhin einen umfassenden Fraktionsantrag, der neben der Verschiebung des Versuchs in das Jahr 2024 auch beinhaltete, dass zuvor noch offene Fragen zu klären seien, begleitende Maßnahmen, soweit möglich, umgesetzt werden und die Öffentlichkeit intensiv beteiligt werden solle. Wobei er die Verantwortung für die Einbringung in den Versuch auch bei den Beteiligten in der Innenstadt sehe.
Sebastian Karg befand, dass die Fraktion der Grünen sich ein noch konkreteres Konzept für den Zeitraum des Verkehrsversuchs gewünscht hätte und der Einzelhandel aus Sicht der Fraktion noch stärker eingebunden werden solle. Gleichzeitig sei es verwunderlich, wenn nach der langen Zeit, in der über den Versuch diskutiert werde, und nach der Durchführung der Beteiligungsveranstaltung, Einzelhändler überrascht über den Verkehrsversuch seien. Karg betonte, dass die Grünen-Fraktion für den Versuch stimmen werde, da die Chancen, die Innenstadt attraktiver zu gestalten und Rad- und Fußverkehr sowie den ÖPNV zu verbessern und die Aufenthaltsqualität zu steigern, deutlich überwiegen. Zudem stellte Karg zwei Änderungsanträge, die eine Verlängerung des Versuchs bis zum Volksfest sowie die Aufnahme des Verkehrsversuchs in die Tagesordnung aller Gemeinderatssitzungen bis zum Ende des Versuchs forderten. Damit solle regelmäßig über den Stand informiert werden, so Karg.
Klaus-Jürgen Mümmler stellte in seinem Fraktionsstatement klar, dass sich die CDU-Fraktion intensiv mit dem Verkehrsversuch befasst habe, dabei aber zu einem anderen Ergebnis als die übrigen Fraktionen komme. Die CDU werde den Versuch auf Grund eines fehlenden Konzepts sowie der unzureichenden Beteiligung der betroffenen Innenstadtakteure mehrheitlich ablehnen.

Detailkonzept nach Gemeinderatsvotum
Jörg Steuler räumte ein, dass er einen Teil der Bedenken teilen könne und auch die Kritik an der Beteiligung zur Kenntnis nehme. Ein konkreteres Konzept sei wünschenswert, aber mit einem großen personellen Aufwand und viel Arbeit verbunden, sodass eine positive Entscheidung des Gemeinderats das Signal sei, um diesen Aufwand zu betreiben. Steuler betonte auch, dass die Öffentlichkeit und auch die Gewerbetreibenden der Innenstadt mehrfach informiert und eingebunden wurden und die Verwaltung für Gespräche jederzeit offen gewesen sei. Ein wichtiger Schritt bei der anstehenden detaillierten Konzepterstellung sei zudem die Einbindung der betroffenen Akteure. Auch die Anzahl der ca. 400 ÖPNV-Busse, die von Jörg Wüstner (AWV) angesprochen wurden und die auch während des Versuchs in Schrittgeschwindigkeit durch die Karl- und Wilhelmstraße fahren sollen, sei berücksichtigt worden, betonte Sozial- & Baubürgermeister Steuler. Eine von Franz Köberle (CDU) angesprochene Gefährdung der Fußgänger durch die Busse und E-Bikes in der Fußgängerzone sehe er nicht, dies funktioniere in anderen Städten auch problemlos. Der Bau- und Sozialausschuss sprach sich letztlich knapp für die von der AWV-Fraktion beantragte Verschiebung des Verkehrsversuchs auf das Jahr 2024 aus und empfahl mehrheitlich, den Versuch auf Basis des Planfalls 3 durchzuführen.

Gemeinderatsdiskussion
Dass das Thema Verkehrsversuch mit Emotionen beladen ist, zeigte sich bereits vor dem eigentlichen Tagesordnungspunkt bei der Bürgerfragestunde. Etliche Gewerbetreibende aus der Innenstadt äußerten ihre Bedenken zum geplanten Verkehrsversuch. In der Diskussion zum Tagesordnungspunkt wiederholte die SPD-Fraktion, dass sie mehrheitlich hinter dem Versuch stehen werde. Die AWV-Fraktion hielt weiterhin an ihrem Antrag zur Verschiebung um ein Jahr fest, Jörg Wüstner konkretisierte den Antrag dahingehend, dass bis 2024 mögliche Ertüchtigungen an beispielsweise Ampeln soweit möglich vorgenommen werden sollten. Sebastian Karg (Grüne) rief dazu auf, jetzt zu handeln und damit die Mutmaßungen und Fragen im Versuch zu klären und mit Antworten zu versehen. Wolfgang Lehnert, Fraktionsvorsitzender der CDU, stellte für seine Fraktion fest, dass noch Planungslücken gesehen werden und ein Konzept der Einzelhändler fehle; auch sei der Fraktion die Bürgerbeteiligung bei weiteren Maßnahmen wichtig. Daher stellte er für seine Fraktion den Antrag, dass die Verwaltung zunächst ein detailliertes Konzept erarbeiten solle und dann in einem Jahr über die Durchführung des Versuchs entschieden werden solle.

Die Innenstadt soll belebter und attraktiver werden.

Gewerbetreibende in Konzepterstellung einbinden
Jörg Steuler betonte, dass der Versuch kein Selbstzweck sei, sondern Mittel für eine Verbesserung der Innenstadtqualität. Zugleich warb er dafür, auch die Chancen zu sehen. Er stellte in Aussicht, dass die Gewerbetreibenden weiter in die Konzepterstellung eingebunden werden sollen. Auch Christian Hellenschmidt (Grüne) stellte die Wichtigkeit der Einbindung der Betroffenen heraus, zeigte sich aber auch irritiert, weil etliche Gewerbetreibende jetzt überrascht von dem Thema seien. Sebastian Klunker hob hervor, dass es der AWV-Fraktion wichtig sei, herauszufinden, was unter den besten Voraussetzungen möglich sei, dafür sei ein Jahr mehr an Vorbereitung für seine Fraktion wichtig. Gleichzeitig solle aber jetzt bereits die grundsätzliche Entscheidung fallen, sodass der Arbeitsaufwand der Verwaltung sich auch lohne.

Jugendgemeinderat für Versuch
Klara Klunker (Jugendgemeinderat) appellierte an das Gremium, den Versuch wie geplant 2023 zu wagen und stellte die Frage „Wann fangen wir an, etwas zu verändern?“. Unterstützung erhielt sie von Jugendgemeinderat Fredrik Müller, der sich ebenfalls gegen eine Vertagung der Entscheidung und eine Verschiebung des Versuchs aussprach. Auch Wolfgang Ansel (SPD) wies darauf hin, dass das Konzept der Verwaltung seit eineinhalb Jahre vorliege und bei einer Verschiebung dann zwischen Konzeptvorstellung und Umsetzung drei Jahre lägen. Nicht weit genug ging Peter Gansky (BLC) der Beschlussvorschlag der Verwaltung. Er beantragte eine einjährige Versuchsphase und dass nicht die kleinste Variante der Sperrung herangezogen werden solle, sondern der Planfall 2, der eine Sperrung ab der Ludwigstraße vorsehen würde.

Gemeinsames Ziel: Aufenthaltsqualität stärken
Am Ende einer langen und intensiven Diskussion war deutlich, dass der von der Verwaltung vorgeschlagene Verkehrsversuch und damit die temporäre Sperrung von Teilen der Karl- und Wilhelmstraße mehrheitlich von den Stadträtinnen und Stadträten positiv gesehen wird. Durch alle Fraktionen zeigte sich, dass die Aufwertung der Innenstadt sowie die Steigerung der Attraktivität und der Aufenthaltsqualität das gemeinsame Ziel ist. Dies betonte auch Jörg Steuler, bevor er die Sitzung unterbrach und den Stadträtinnen und Stadträten damit die Gelegenheit gab, sich innerhalb der Fraktionen, aber auch fraktionsübergreifend auszutauschen.

Der Verkehrsversuch kommt 2024
Bei der anschließenden Abstimmung fand der Antrag der CDU auf eine Verschiebung des Themas um ein Jahr zur Klärung offener Fragen und zum Führen weiterer Gespräche und dann einer erneuten Abstimmung zur grundsätzlichen Durchführung des Versuchs keine Mehrheit im Gremium. Angenommen wurde dafür mehrheitlich der Antrag der AWV, den Versuch verbindlich durchzuführen, aber erst in den Osterferien 2024 zu starten. Keine Mehrheit fanden die Anträge der BLC und der Grünen, den Versuch auf ein Jahr bzw. bis zum Volksfest auszudehnen. Ebenfalls nicht positiv beschieden wurde der Antrag der BLC, den Planfall 2 heranzuziehen, stattdessen sprach sich der Gemeinderat für den von der Verwaltung vorgeschlagenen Bereich zwischen Karlsplatz und Einmündung Grabenstraße aus. Mehrheitlich beschlossen wurde der Grünen-Antrag, regelmäßig über die Erkenntnisse des Verkehrsversuchs zu informieren.
 
Der Verwaltungsantrag, durch eine umfangreiche Öffentlichkeitsbeteiligung sowie durch Maßnahmen wie Möblierung, Bepflanzungen und Aktionen auf der Versuchsfläche die Aufenthaltsqualität zu verbessern, wurde ebenfalls mehrheitlich angenommen.
Damit steht fest, dass im Jahr 2024 zwischen den Osterferien und den Sommerferien der Verkehrsversuch durchgeführt wird.

(Erstellt am 27. Oktober 2022)